Ein lächelnder gelber Teddybär sitzt auf einer hellbraunen Couch, die vor einer gelben Tapete mit weißen Blumen steht

Unzufrieden. Aus … Gründen.

Die Unzufriedenheit grassiert derzeit wie die nächste Pandemie, in Deutschland, Europa, der Welt. Warum sind so viele Menschen unzufrieden?

Ursprünglich wollte ich diesen Artikel direkt nach meinem letzten Ostseeurlaub Mitte Juni verfassen. Neben einer Vielzahl wunderbarer Eindrücke und Erinnerungen haben wir ein diffuses Bild vom Meer mitgenommen, das uns ein erheblicher Anteil der Touristen vor Ort gezeichnet hat: Unzufriedenheit in allerhand Abstufungen und Ausprägungen. Das Wetter schließe ich als Verursacher des Missmuts aus: Wir hatten über eine Woche lang durchgängig Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen, die sogar ein kurzes Bad in den kühlen Wellen zuließen. Aber vielleicht stimmte für die Griesgrämigen schon mit dem Wasser irgendetwas nicht – zu nass, oder so.

Die Länge und Tiefe der abwärts zeigenden Mundwinkel an den Einkommensverhältnissen oder regionaler Herkunft festzumachen, gelingt mir auch im Rückblick nicht. Und ich werde den Teufel tun, mich hier auf Stereotypen wie den Mecker-Ossi oder den Besser-Wessi einzuschießen. Das wäre ungerecht, und darüber hinaus zu einseitig und schlichtweg falsch. Gemeckert wurde in verschiedensten Dialekten: Schwäbisch, Hessisch, Sächsisch, Bayrisch, Platt … es war alles dabei. Das Gleiche gilt für die vielfältige Range vom Standard-Rentner-Ehepaar, das sein Erspartes für den einzigen Jahresurlaub ausgibt, bis zum Segelschuhe tragenden Topverdiener, der jedes Wochenende sein Boot wienert. Und auch die Einheimischen trugen ihren Teil zum Mimimi-Gesamtbild bei.

Kommt ein Pferd in eine Bar. Fragt der Barkeeper: „Warum so ein langes Gesicht?“

Strand bei Boltenhagen
Strand bei Boltenhagen: Nicht ganz schlecht, wenn nicht der ganze Sand wäre …

Ich muss zugeben: Ich war zu entspannt, um irgendjemanden zu den Gründen für die Unzufriedenheit zu befragen. Schließlich hatte ich auch Urlaub, und wahrscheinlich hätte mir das Feedback am Ende noch selbst die gute Laune verhagelt. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Missmut oft ein Stück weit mit Meinung einhergeht. Und Meinungen zu ändern, das liegt jenseits meines Kompetenzbereichs.

Möglicherweise lassen sich die Ursachen gar nicht mit ein paar Sätzen benennen. Hätte ich doch jemanden dazu befragt, wären vielleicht Ausflüchte, Schulterzucken oder stellvertretend Phrasen wie „Früher war alles besser“ die Antwort gewesen. Diese Retromanie kann durchaus Positives bewirken, bei den meisten meiner Zeitgenossen taugt der verklärte Blick zurück jedoch nur dazu, das Heute mit einem Grummeln zu betrachten. Dabei spielt ihnen lediglich ihre Psyche einen Streich, weil sie das Schlechte in der Vergangenheit tendenziell ausblendet. Beim Rundumblick am Strand im Hier und Jetzt findet diese hilfreiche Selektion nicht statt. Dann nervt ganz akut der qualmende Nachbar im Strandkorb, die feiernde Partymeute oder die eine verf***te Wolke, die ein bisschen zu lang die Sonne bedeckt. Und zuhause ist das alles vergessen.

„Ich weiß zwar nicht, was ich mir vorgestellt habe, aber das war es nicht.“

Wörtliche Rückmeldung eines unserer Kunden auf den ersten Designvorschlag für eine neue Webseite

Unzufrieden, unzufrieden, und schuld bist du!

Blöd nur, dass solche Einstellungen im Alltag nicht einfach verpuffen. Zwischen 40-und-mehr-Stunden-Wochen, lärmenden Nachbarn, Rechnungen, steigenden Preisen und quengelnden Kindern haben Erinnerungen an schöne Sonnenuntergänge, ein Fest mit Freunden und das Lächeln der Kassiererin wenig Platz. Missmut macht sich breit wie der Speckring am Bauch, weil Zeit und Antrieb für Bewegung fehlen und der träge Leib sich nun mal auf der Couch bei Chips und TV wohler fühlt. In der Einsamkeit der Sofa-Bubble sind Verantwortliche für die Misere schwer auszumachen. Schnell wachsen dann geisterhaft Zielscheiben aus dem Boden, gedüngt von BLÖD-Zeitung und RTL2. Wir sind so satt, dass wir für das Kratzen des Pullovers auf der Haut lieber den Hersteller oder den Händler im Internet niedermachen, statt beispielsweise die mangelhafte Qualität in Frage zu stellen, die der Preis für das Schnäppchen im Billigklamottenladen gerade so eben zulässt.

Wäre alles nicht so schlimm. An das allgegenwärtige Gemotze im Privaten sowie im Internet hat man sich zwangsläufig gewöhnt. Wer täglich mehrere Kilometer im Netz unterwegs ist, wundert sich nicht mehr, dass einem auf einmal auch das Lesen Hornhaut wachsen lässt, wo es sie eigentlich nicht gibt.

Gefährlich wird es, wenn die Unzufriedenen Grenzen nicht mehr anerkennen oder wahrnehmen, jenseits derer andere, oft ungerechtfertigt, Schaden nehmen, sei es physisch oder mental. Stichpunkt Zielscheibe: Da werden Klimademonstranten an Haaren von der Straße gezerrt, weil sie das naheliegendste Problem darstellen und es kurzfristig befriedigt, dieses beseitigt zu haben. Die Grünen müssen seit Wochen als Verursacher noch so fern und absurd wirkender Missstände herhalten. Gesetze, die nicht einmal den Bundesrat passiert haben, werden als drakonische Maßnahmen einer am Horizont drohenden Ökodiktatur gedeutet, die es zu bekämpfen gilt. Das eigentliche Problem – Achtung, Spoiler: Klimawandel – wird erstmal hinten einsortiert.

Hinterm Horizont geht … mir am Arsch vorbei

Waldbrand hinter einem See; zwei Kinder waten durch das Wasser
Wir sind mit der Gesamtsituation unzufrieden.
Image by Ria Sopala from Pixabay

Ratlosigkeit macht sich bei mir breit, wenn ich einerseits die Gleichgültigkeit betrachte, die viele Menschen angesichts wirklich ernster Bedrohungen wie Klimawandel, Artensterben, Pandemien und daraus resultierenden massiven Fluchtbewegungen an den Tag legen. Die Unfähigkeit mancher Zeitgenossen, sich in jemanden hineinzuversetzen, der aufgrund von Krieg oder Katastrophen alles verloren hat, seine Heimat verlassen muss, weil dort alles in Schutt und Asche liegt, lässt mich wahlweise wütend, sprachlos oder traurig zurück. Die Vehemenz, mit der meine Gegenüber ihre diesbezügliche Meinung vortragen, zermürbt mich und hat mich nicht selten entweder kapitulieren oder eine bis dahin gute freundschaftliche Beziehung auch mal scheitern lassen. Ich kann mich damit arrangieren, wenn jemand auf das Röhren PS-starker Verbrennermotoren steht. Outet er sich als Queer-Feind, Rassist oder Klimawandelleugner, ist bei mir jedoch der Ofen recht schnell kalt.

Unzufrieden? Solche und solche

Ja, ich hab gut reden, mir geht’s gut. Aber die alleinerziehenden Mütter und die arbeitslosen Mittfünfziger ohne Jobperspektive sind mir nicht fremd, und ich habe volles Verständnis für ein Aufbegehren gegen die Willkür des Schicksals oder ganz konkret zu nennende Verursacher eigenen Leids. Nicht jeder bringt in solchen Situationen die Kraft und den Mut auf, die aktuellen Umstände zum Besseren zu bewegen. Hier ist Hilfe von außen unbedingt nötig.

Von denen, die nicht wollen, sich lieber auf anderer Leute Kosten einen faulen Lenz machen und trotzdem nur am Meckern sind, möchte ich hier gar nicht anfangen. Für die bringe ich kein Verständnis auf. Außerdem zieht sich meine Meinung zu dieser Personengruppe wie ein roter Faden durch mehrere meiner Artikel.

Wie auch immer: Mit der Wahl von Parteien am rechten Rand ist man definitiv schlecht beraten, da von der Seite wenig bis nichts Wertvolles kommt. Im undurchsichtigen braunen Geblubber polemischer Verbal-Diarrhoe geht dieses Ideenvakuum leider immer wieder unter. Oben genannten Medien ist das zwecks Klickzahlen und Werbeeinnahmen wurscht, und so werden weiter Migranten und die Grünen an den Pranger gestellt.

Und was macht eigentlich die Politik?

Kürzlich schwadronierte irgendein Innenminister über genau diese Unzufriedenen, die einen Großteil der Wählerschaft der AFD darstellen. Es gelte, diese Unzufriedenen nun abzuholen. Das wirkt so inhaltsleer und hilflos. Wie denn abholen? Mit dem Bus?

Der Kommentar des Ministers offenbart die Ratlosigkeit, die ich oben schon genannt habe und die auch mich befällt. Ich wünsche mir allerdings von einem gewählten Vertreter des Volkes, dass er konstruktivere Vorschläge zur Abwendung des Rechtsschwenks der Mitte aufbietet.

Ich habe an der Stelle keine Vorschläge für den Herrn. Sorry, nicht meine Aufgabe (Autor lehnt sich zurück).

Ja, da bin ich halt auch mal unzufrieden.


Hier noch ein differenzierter Blick auf unseren nostalgischen Blick in die Vergangenheit:
Psychologie und Statistik: Früher war es ganz bestimmt nicht besser (faz.net)


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