Wenn schon das nicht funktioniert ...

Wenn da nicht der Mensch wäre

Der Mensch hat es in der Hand, die Karre noch aus dem Dreck zu ziehen. Es müssten nur genügend Leute absteigen und mal ziehen. Am besten alle.

PADS

Kurz vor Weihnachten erschien der zweite Avatar-Film „The Way of Water“ im Kino. Seitdem macht der Begriff des „Post Avatar Depression Syndroms“, kurz PADS, die Runde. Das war schon nach dem ersten Film der Fall.

Dabei handelt es sich nicht um ein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild. Vielmehr verursacht der Film bei einigen Zuschauern ein mehr oder weniger anhaltendes Gefühl des Unbehagens und der Unzufriedenheit. Für den neuen Film kann ich nicht sprechen, aber nach dem Anschauen des ersten sind die beschriebenen Emotionen nur allzu nachvollziehbar, das Resultat ja geradezu trivial. Schließlich wird nicht nur gezeigt, wie wunderschön die (hier zwar fiktionale) Natur sein kann, von der wir uns mehr und mehr entfremden, sondern wie es wieder einmal der Mensch schafft, sie auszubeuten und zu zerstören.

The bad news

Was soll ich sagen? Ich habe Avatar gesehen und mag den Film sehr. Allerdings brauche ich ihn nicht, um anschließend schlecht drauf zu sein. Dazu reichen mir die täglichen Nachrichten, in denen es an positiven Beiträgen schon lang mangelt. Sie wirken wie die Aneinanderreihung von winzigen Katastrophenfilmen. Newsportale servieren diese Daily Desaster Soap genauso, nur in anderer Form.

Hier zusammengefasst die willkürlich gewählten Schlagzeilen des heutigen Tages:

  • mehr als zwanzig Tote nach Bombardierung eines Wohnhauses im ukrainischen Dnipro durch russisches Militär
  • Hinrichtung des ehemaligen britisch-iranischen Politikers Akbari, Todesurteil gegen einen saudi-arabischen Intellektuellen wegen Nutzung von Social Media
  • Wetternotstand in Kalifornien
  • Parkplätze sollen größer werden, weil Autos größer werden, weil … was weiß ich
  • Lützerath, RWE, die Grünen …

Besonders der letzte Themenschwerpunkt bietet mir gerade ungeahntes Potenzial für eine schimpfwortgeschwängerte Wutrede über manipulative Medien, skrupellose Geschäftemacherei von kurzsichtig auf Gewinnmaximierung gepolten Energiekonzernen und die ebenso skandalöse wie hilflose Verstrickung der Politik in dieses komplizierte Geschehen. Ich bin dessen jedoch müde, und vielleicht fühlt sich Christian Stöcker beim Schreiben seiner Spiegel-Kolumne ähnlich. Zumindest hinterlässt sein Artikel bei mir den Eindruck, dass es ihn allmählich anödet, immer dieselben Fakten zu wiederholen, die dem Thema zugetane Menschen ohnehin einvernehmlich abnicken und die andere Seite entweder nicht liest oder geifernd in den Kommentarspalten als Lüge diffamiert.

Na, noch gut drauf?

Wem Nachrichtensendungen und die Onlineportale für die tägliche Dosis Depression nicht ausreichen, der möge sich Dokumentationen ansehen. Nicht die testosterondurchnässten Berichte über irgendwelche Tuning-Fetischisten oder die achtzehnte Reisedoku über Skandinavien. Letzte Woche war es bei mir die erste Folge der neuen Terra-X-Reihe „Eisige Welten“.

Adéliepinguin
Adeliepinguin

Klingt erstmal harmlos. Flauschige weiße Sattelrobben gab es da zu sehen und genauso endlose wie makellose Schneelandschaften. Als dann aber zunächst der Eisbär fast klischeehaft auf der tauenden Eisscholle einbrach, bekam die Sendung ihren erwarteten Twist. Endgültig aus war es bei mir mit dem vor Kälte zitternden Küken in der Kolonie von Adeliepinguinen. Ja, richtig gelesen, frierende Pinguine! Diese kommen bei ihren Wanderungen in der Antarktis immer öfter in Regionen mit Regenfällen, die das Gefieder der Küken so durchnässen, dass der wärmende Effekt verlorengeht und die Kleinen entweder erfrieren oder keine Kraft mehr haben, um sich vor Fressfeinden in Sicherheit zu bringen.

Mir wurde vor einiger Zeit von kompetenter Stelle der Ratschlag erteilt, nicht mehr jeden Tag die Nachrichten anzuschauen, um mich nicht der massiven Flut von Negativmeldungen auszusetzen. So recht verhaftet ist der gut gemeinte Rat bei mir nicht. Die Alternative wäre, den Kopf in den Sand zu stecken und fürderhin meine Zeit im besten Fall vor allem mit Belanglosem zu vergeuden. Der worst case wäre, nur noch mir genehme Inhalte zu konsumieren, und da sind wir wieder ganz schnell bei der Blase.

Don’t worry, …

Vor knapp zwei Jahren habe ich einen Artikel darüber geschrieben, wie glücklich viele von uns sich schätzen dürfen. Umso verstörender ist für mich das Gemecker und Gemoser einiger hiesiger Zeitgenossen darüber, wie beschissen sie es in ihren warmen Buden nach dem üppigen Mittagessen haben, das wieder mal ein paar Cent teurer geworden ist. Mein Artikel über das Glück steht definitiv nicht im Widerspruch zu diesem Text hier: Bei allem Leid und den Katastrophen, worüber wir täglich bestens informiert sind, ist es wichtig, sich der positiven Aspekte des eigenen Daseins stets bewusst zu sein. Gesundheit, Frieden und Wohlstand sind da nur die Überbegriffe.

Weltuntergang, vielleicht verschoben

Ende des letzten Jahres habe ich „Weltuntergang fällt aus“ von Jan Hegenberg gelesen, den viele vielleicht besser als „Der Graslutscher“ kennen. Unter diesem Namen bloggt er unter anderem bei Facebook zu aktuellen Themen mit dem Fokus auf vegane Ernährung, Verkehrswende und Klimawandel. In seinem Buch führt er äußerst informativ und gut verständlich – und mit der ihm eigenen humorvollen Art – vor, welchen Irrtümern bezüglich Klimawandel wir im täglichen Leben aufsitzen und vor allem, wie wir diesem auf sinnvolle Weise begegnen können. Seine Ausführungen zu erneuerbaren Energien und Speichertechniken, Konsum und nachhaltiger Lebensweise sind nachvollziehbar, technisch und finanziell umsetzbar und könnten uns in weniger als zwanzig Jahren zu einem ökologisch vertretbaren Dasein auf diesem Planeten verhelfen, dem auch unsere Kinder nicht heulend entgegensehen. Kurzum, das Buch macht wirklich Mut und sollte gelesen werden.

Einen einzigen Faktor vermisse ich in Hegenbergs Werk allerdings. Vielleicht hat er ihn nicht so intensiv behandelt, weil sonst die optimistische Aufbruchsstimmung unter die Räder gekommen wäre. Es ist der Mensch.

Hätte, wäre, könnte

Was nützen Theorien, die keine komplette Science Fiction sind und tatsächlich in einem überschaubaren Zeit- und Kostenrahmen umgesetzt werden könnten, wenn es allein am Willen fehlt? Sämtliche Klimakonferenzen der letzten Dekaden haben es verdeutlicht. Schiebt man die Euphorie der Teilnehmer einmal beiseite, die nach durchdiskutierten Nächten am Ende aufbrandet und vielleicht zum Teil dem Schlafmangel geschuldet ist, bleibt es bei unverbindlichen Absichtserklärungen, die in den Folgejahren in vielen Ländern im Sande verlaufen. Es gibt keine wirksamen Mechanismen, um unwillige Regierungen zum Handeln zu zwingen.

Das Fiasko noch eindringlicher deutlich macht das Geschehen um das oben genannte Lützerath. Mehrere Untersuchungen ergaben schon vor Monaten, dass die Kohle dort für die Verstromung nicht mehr gebraucht wird. Gegenstimmen auch aus den Reihen der Grünen werfen diesen Untersuchungen vollkommen falsche Annahmen bezüglich des voraussichtlichen Strombedarfs bis Ende des Jahrzehnts vor, und so geht es hin und her.

Nennt mich einen Träumer

Hausumbau extreme
Hausumbau extrem

Viele Entscheidungen bedürfen der sorgfältigen Prüfung, Änderungen müssen vorbereitet und Pläne erarbeitet werden. Ich sehe das ein. Vielleicht bin ich in manchen Dingen auch naiv.

Ende 2006 haben meine Frau und ich eine Doppelhaushälfte gekauft, Baujahr 1951. Meine Frau hat den Garten gesehen und sich Hals über Kopf in die Butze verliebt. Ich weiß nicht mehr, wer aus unserem Freundeskreis oder der Familie es war, der zuerst fragte: „Ihr reißt das doch sicher ab und baut neu, oder?“ Und wir so: „Äh, nee, wir renovieren das, und wir müssen auch vieles selbst machen wegen der Kohle und so.“ (Hier ist Geld gemeint, Anm. d. Autors). Eine andere Stimme ist uns in Erinnerung geblieben, die konstatierte, wir hätten mit dem Haus die Scheidung gleich mitgekauft.

Die Bude hielt einige Überraschungen und Herausforderungen für uns bereit, die wir jedoch alle gemeistert haben. Und wir sind immer noch glücklich verheiratet. Hätte ich damals all den Bedenkenträgern Gehör geschenkt oder gar beigepflichtet, dann säße ich noch heute in einer Mietswohnung. Manchmal muss man ein wenig naiv, oder sagen wir, risikofreudig sein und Schrammen und Rückschläge in Kauf nehmen.

Halbzeit

Nun sind die Risiken unseres zerstörerischen Tuns nicht erst seit ein paar Jahren bekannt. Unter anderem hat der Club of Rome in einer vielzitierten Studie auf die Gefahren hingewiesen:

Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.

Schlussfolgerung aus: Die Grenzen des Wachstums

Die Studie stammt aus dem Jahr 1972 und ist damit ein halbes Jahrhundert alt. 50 Jahre, so alt wie ich. Es wäre Zeit genug gewesen. Wenn mir mein Kardiologe ein vorzeitiges Rendezvous mit dem Sensenmann vorhersagt für den Fall, dass ich meinen Lebenswandel nicht ändere, dann fange ich doch nicht erst Jahre später an, die Pizza wegzulassen. Aber der Mensch ist träge.

The good news

Abgesehen vom Glück, noch da zu sein, auf einem Planeten in der habitablen Zone des Sonnensystems, in einer warmen Bude im Frieden, stechen im nicht enden wollenden Katastrophen-Newsfeed gute Nachrichten umso mehr hervor.

Fazit? Fällt aus.

Ich weiß nicht, was ich mit der aktuellen Situation anfange und auch nicht, was ich meinen Lesern mit auf den Weg geben soll. Allerdings kommen weder Kopf in den Sand stecken noch Verzweiflung in die Tüte. Jeder mag gern für sich selbst entscheiden, wie mit alldem umzugehen ist. Ich für meinen Teil werde weiterhin Nachrichten und Dokus anschauen und versuchen, ruhig zu bleiben und nicht noch mehr kaputtzumachen.

Vielleicht hilft es ja.

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